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Pong - und dann ging's los

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Am Anfang war das Licht, oder besser: am Anfang war ein Lichtpunkt. Im Jahr 1958 suchte der US-Ingenieur William Hoginbotham nach einem unterhaltsamen Exponat für eine Ausstellung des Brookhaven National Laboratory und erfand ganz nebenbei das Videospiel. Er programmierte einen Lichtpunkt, der über ein Oszilloskop schwebte, wie ein Flugzeug über den Radarschirm, mit Knöpfen und Hebeln konnten die Besucher den Punkt über die grünliche Fläche steuern. Hoginbothams „Tennis for Two“ war der erste Versuch der technologischen Evolution das Videospiel hervorzubringen, das Medium kroch an Land, blieb einige Wochen und verschwand nach Ende der Ausstellung wieder im trüben Wasser der 50er Jahre.

An einem Abend im Jahr 1972 stand in der Kneipe „Andy Capp’s Tavern“ in Kalifornien neben Billardtisch und Dartscheibe dann plötzlich ein großer, schwarzer Kasten: wieder flitzte ein weißer Punkt über den Bildschirm, „avoid missing the ball for highscore“, stand darüber, sonst nichts. Der erste Automat des legendären „Pong“, das virtuelle Tennismatch von Atari-Gründer Ray Bushnell. Ein Vierteljahrhundert später steht der Automat „Pong“ in einem Museum, beim Württenbergischen Kunstverein in Stuttgart. Vergangene Woche eröffnete dort die Ausstellung Pong.Mythos. Die Rückwand des Automaten wurde durch eine Glasscheibe ersetzt. Man sieht: Kabel, grünes Plastik, Bleitropfen und einen handelsüblichen Fernseher. „Unsere Ausstellung ist auch ein Blick in die Vergangenheit“, sagt Kurator Andreas Lange vom Computerspiel-Museum, dem Initiator der Wanderausstellung, die in den nächsten Monaten auch noch in Leipzig, Berlin und Bern zu sehen sein wird. Sie zeigt: Historische Artefakte, Fotos, Texte, Handy-Games und 25 Kunstwerke und Medien-Installationen, die von „Pong“ inspiriert wurden oder sich darauf beziehen. Andreas Lange sagt: „Wir haben einfach gesammelt, was entstanden ist.“

„Pong“ war ein einfaches Spiel. Und „Avoid missing the ball“ vielleicht die einfachste Bedienungsanleitung der Technologie-Geschichte seit der Erfindung des Rades („Let’s roll“). Bei „Pong“ hat man das ganze Spielfeld im Blick: zwei Balken, ein Viereck und viel schwarzer Raum. Das versteht jeder. „Die Simplizität des Spiels war einer der Gründe für den globalen Erfolg“, sagt Andreas Lange, „zum anderen aber ist der formale Minimalismus natürlich ein Steilpass für die Künstler.“ In der Ausstellung ist zum Beispiel eine Kunst-Aktion dokumentiert, in der das Cyber-Tennismatch auf einem Berliner Hochhaus inszeniert wurde. Die Betonfassade wurde zum Bildschirm. Neben der Geschichte, Technologie-Unterricht und der Darstellung der popkulturellen Cover-Versionen des Spiels – Handy-Games und Soundtrack – beschäftigt sich „.Pong.Mythos“ mit der Rückübersetzung des simplen Spielprinzips. Auf der Installation „Power Play“ zum Beispiel müssen die beiden Spieler auf Ergometern den Strom für ihr Hobby selbst erzeugen. Den Schläger-Cursor steuern sie mit dem Lenker. Das Computerspiel wird zum Leistungssport. Und sollte einer der beiden Spieler zu faul sein, wird der Bildschirm schwarz. Wenn sie wieder zu Atem kommen, merken sie dann vielleicht: Spiel ist eine Mischung aus Kooperation und Konkurrenz.

„Pong“ ist vor allem durch seinen kommerziellen Erfolg zu einem interessanten Gegenstand für die Kunst geworden. Bereits nach einer Woche war der „Pong“-Automat in „Andy Capp’s Tavern“ mit Vierteldollar-Münzen verstopft – es war ein Riesenerfolg, der Urknall einer neuen Unterhaltungsindustrie. 1973 macht Atari knapp vier Millionen Dollar Umsatz, 1983 bereits zwei Milliarden. Heute setzt die globale Videospielindustrie nach Angaben des British Trade Institute mehr als 23 Milliarden Dollar um. „Pong ist der Gründungsmythos einer ganzen Industrie“, sagt Lange, „es ist auch gleichzeitig die Essenz der Kommunikation. Wenn wir miteinander sprechen spielen wir uns ja auch den Ball zu.“ Ping-Pong. Du oder ich. Hin und her.

Längst erübrigt sich die Frage, ob Videospiele etwas in Museen zu tun haben, ob sie als Objekt der Kunst taugen oder einer Ausstellung würdig sind. Schon in den 80ern eröffnete im American Museum of the Moving Image die Show „Hot Circuits: A Video Arcade“, 2003 wurde in London die Ausstellung „Game on“ gestartet. Und Alain und Frederic Le Diberder bezeichnen das Videospiel in ihrem Buch „L’univers des Jeux Video“ als die zehnte Kunst.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


„Pong“ beruht auf einfachen physischen Regeln. „Einfallswinkel gleich Ausfallwinkel.“ Dass hier Spieler lernen konnten, dass sich Objekte auf dem Bildschirm genau so verhalten wie in der echten Welt, macht das Spiel zu einem „Schnittpunkt von der analogen zur digitalen Welt“, wie Lange meint. Videospiele waren der erste Kontakt des Normalbürgers mit einem Computer, und gerade die erste Konsolen wie das Atari VCS CX2600 oder die Magnavoxx Odyssey verhalfen der Computertechnik, die bis dahin als fremd, kühl und seelenlos empfunden wurde, zu einem positivem und spaßorientiertes Image. Durch die fliegenden Lichtpunkte und Farbblöcke wurde der Programmcode, die Computer-DNA, erstmals für den Mehrheits-Menschen sichtbar; mit Joystick, und später der Computer-Maus, konnten nun auch Menschen ohne Ingenieursstudium in die fremde Welt der Nullen und Einsen eindringen. Andreas Lange sagt: „Bei Spielen wie Pong, Pac Man oder Space War haben wir die ersten Erfahrungen im digitalen Raum gesammelt.“ Es ist lange her. Zeit sich zu erinnern.

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