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Lolita Louisan

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Illustration: karen-ernst Natürlich finde ich Annett Louisan total geil. Zugegeben: Vielleicht hat die Welt hat schon größere Gesangtalente gesehen, vielleicht wird es die süße Annett mit den großen Kulleraugen und diesem heißen Fahrwerk von Körper auch nie zum Friedensnobelpreis bringen oder den Kant’schen Imperativ widerlegen – aber dieser Gassenhauer, da müssen mir doch zumindest die Herren der Runde zustimmen, ist ein astreiner Ohrwurm. Nett, frech und irgendwie witzig, wie Annett Louisan da schmachtend „Ich will doch nur spielen, ich tu’ doch nichts“ trällert. Natürlich verachte ich Annett Louisan. Ich mag es nicht besonders, wenn ich merke, wie ich manipuliert werden soll. Und ich ärgere mich, dass mich Programm- wie Labelchefs offensichtlich für so doof halten, dass sie glauben, ich würde ob der Oberweite der Sängerin und ihrer Puppenaugen nicht wahrnehmen, wie langweilig ihre Musik und wie schlecht ihr Gesang ist. Am ärgerlichsten aber ist, wie mir der seichte Gesang samt Schulmädchenreporterotik verkauft werden soll. Annett Louisan ist eben nicht, wie übereuphorische Radiomoderatoren gerne mal behaupten, irre ironisch und augenzwinkernd selbstbewusst, ja auf ungewöhnliche Weise emanzipiert und doch sehr weiblich. Im Gegenteil. Annett Louisan bedient jedes, aber auch wirklich jedes simple Lolita-, Frauen- und Sängerinnenklischee. Sie spaziert als lebender Beleg für „Sex sells“ durch ihre Musikvideos, haucht Belanglosigkeiten ins Mikrophon und repräsentiert kaum mehr als das, was Labelbosse in flauen Zeiten für den Minimalkonsens in Sachen „erotische Männerfantasie“ halten. Dahinter steckt ein schlimmes Frauen- und ein ebenso schlimmes Männerbild. Frauen sind willenlose Dummchen, die mit den Augen klimpern, ihre Oberweite in Stellung rücken und die nicht mehr wollen, als an der Seite eines starken Mannes im Bett zu landen. Männer dagegen sind aufgegeilte Zombies, auf die Annett Louisans Schlüsselreize wie eine Art „Strg+Alt-Entf“-Befehl für Männergehirne wirken, und die von einer Frau nicht mehr erwarten als dass sie ein veritables Pin-up-Girl abgibt – und sonst hübsch die Klappe hält. Jetzt lässt sich natürlich einfach sagen: Mach’ das Radio aus, schalt’ den Fernseher ab, und es soll nicht dein Problem sein. So einfach ist es leider nicht. Denn so lange die Annett Louisans dieser Welt als Vorbilder und Objekte der Begierde inszeniert werden, werden mir im Supermarkt, auf Partys und in der Universität Mädchen und Frauen begegnen, die all ihre Intelligenz und Energie darauf verwenden, das perfekte Dummchen zu geben. Und die auch noch allen Ernstes glauben, sie würden die Regeln in diesem Spiel der Geschlechterklischees diktieren. Schon klar: Annett Louisan tanzt „den Männern“ mit ihrer billigen Glücksbärchi-Erotik auf der Nase herum. Aber welchen Männern! Sicherlich nicht denen, die Frauen auch jenseits von Gogo-Tanz und Küche ernst nehmen. Was Louisan verkörpert, ist das Bild einer emanzipierten jungen Frau – im Kopf eines alten, frauenverachtenden Machos. Weitere Sexkritiken findest du hier

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