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Von wegen Heldnot.

Text: tritop
Vergeßt Catwoman.

Vergeßt die New Yorker Feuerwehrmänner, auch wenn's schwerfällt.

Vergeßt alleinerziehende Mütter, willige Barkeeper, Kanalreiniger, die Leute mit immer noch einer Schachtel Kippen im Ärmel, vergeßt Fluthelfer, Klemptner, Ärzte, DJs.


Vergeßt ratschlagende Tanten.

Vergeßt Spiderman.

Hier ist er, der echte und einzige Superheld, die Superheldin, egal, über Feminismus ist sie längst hinaus. I proudly present...(an dieser Stelle versteht sich tosender Trommelwirbel von selbst)...hier i-i-i-i-iii-i-iiii-st:



Paraaaaanoiawomaaaaaan.



Wenn man versuchen würde, Paranoiawomans Eigenschaften mit einem Wort zu beschreiben (was keiner wagen dürfte, aber ich habe nichts zu verlieren und eigentlich ist sie ja... egal), "scharf" würde es am besten treffen.

Nicht daß sie es nötig hätte (oder es sich auch nur leisten könnte), sich im Catsuit auf Barhocker zu schlängeln, nein, es sind ihre Sinne, mit denen sie Balken auftrennen könnte. Allein, es scheitert meist an den Spreißeln in Nase und Ohr.



Paranoiawomans Sinne sind schärfer als Grundschullehrerspitzer, als Rasierklingen, als Dieter Landuris. Sie hört Dinge, die kein Echolot bemerkt, sie kann tasten, daß Klavierspieler rote Ohren bekommen und sie riecht quasi einmal um die ganze Welt (Haha, das Deutsche ist schon lustig. Aktiv wie Passiv, eine Form. Aber wie klingt denn bitte "sie schnüffelt quasi einmal um die ganze Welt"?). Sie schmeckt einen ordentlichen Drink aus Tausenden von Blubberwässerchen heraus, sieht weiter als indianische Adler, und sie spürt Unheil nahen, noch bevor dieses sich überhaupt auf den Weg gemacht hat.



Das ist Paranoiawoman. Von außen unscheinbar und harmlos, aber in ihr brodelt ein Vulkan. In ihr kämpfen alle Sinne um Aufmerksamkeit, in ihrem Inneren weiß sie ganz genau, was die Welt vorhat.

Wenn ein Kollege sie fragt, ob sie mittags mit zur Pommesbude geht, dann weiß sie genau, daß so glücklich seine Ehe nicht sein kann. Wenn ihr Nachbar... (nein, das erst in einer der kommenden Folgen, ja, dies ist ein Pilot) nichts tut, ihr Chef aber vergißt, sie mit Handkuß zu grüßen, dann weiß sie schon, wie es schmeckt, arbeitslos am Hungertuch zu nagen. Wenn sie nachts durchs geöffnete Fenster Stöhnen hört, riecht sie schon feuchte Windeln durch den Fußboden. Wenn sie alleine in irgendeiner Kaschemme sitzt, dann weiß sie genau, daß hinter den ausgeklügelten und karma-optimierten Aschenbecher-Salzstreuer-Ensembles getuschelt wird über sie; sie spürt, wie sie belächelt wird und schmeckt das Bedauern für sie in jedem schalen Happy-Hour-Cocktail, den die anderen Gäste an ihren Tisch bringen lassen. Amerikanische Wissenschaftler wollen herausgefunden haben, daß Essen und Trinken ohne direkte Gesellschaft vom Universum mit solch garstiger Flatulenz gestraft wird, daß solche wie die da drüben erst recht und umso länger eine Ernährung und ein Leben jenseits der Konversationsnähe durchstehen müssen. "Schnell, laß uns zahlen.", hört Paranoiawoman die Stimmen.



Paranoiawoman hat keinen Feierabend. Noch bevor sie ihr Paranoiamobil in Ermangelung anderer Gelegenheiten unter einem Baum parkt, kratzt sie in Gedanken schon bauschaumartigen Schleim tropischer Einwandererblattläuse vom Außenspiegel. Sie hat ihr siebtes Bier noch nicht ausgetrunken und weiß schon, wer den Abend am wenigsten lachend sein Ende nehmen sieht. Weht ihr ein Hausfrauenkittel Größe 46 auf den Balkon, weiß sie, daß das ganze Viertel sie zu dick findet.

So ist sie.



Die Schärfe ihrer Sinne ist nicht beschreibbar. Lassen wir das einfach einmal so stehen und sehen weiter, was die nächste Folge bringt. Aber eines sollte noch gesagt werden:



Jeden einzelnen verdammten Tag könnte Paranoiawoman die Welt retten. Sie könnte Blinde sehen machen, Lahme gehen sowieso, wenn nur ihr Kopf nicht von diesem einzigen Gedanken beherrscht wäre:



"Habe ich den Herd ausgemacht?"

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